Feilen an der persönlichen Bestzeit – in der virtuellen Welt

Schmuckbild: laufende Person
@Tierney - stock.adobe.com
12.09.2024 Hintergrund
Fernando P. Cardenas-Hernandez und Jan Schneider aus der Abteilung Educational Technologies am DIPF entwickeln eine App, die Sportler*innen mit virtuellen Coaches beim Lauftraining unterstützt.

Die Virtual-Reality-Brille sitzt. Die Steuerungs-Controller liegen gut in den Händen. Alles bereit zum Treffen mit dem Trainingscoach. Dieser wartet schon im Fitnessraum – in der virtuellen Welt. Er hat Tipps parat für Sportler*innen, die ihre Lauftechnik verbessern, ihr Training intensivieren, aber auch ihre mentale Einstellung stärken möchten. Vom Fitnessraum geht es raus auf die virtuelle Laufstrecke. Der Adrenalinpegel steigt. Die Spannung vor dem Wettkampf mit vielen Teilnehmenden ist enorm. Auch hier begleitet der Coach die Läufer*innen, steht ihnen mit Rat und Tat zur Seite. Das virtuelle Training soll ihnen in Zukunft in der realen Welt noch bessere sportliche Ergebnisse ermöglichen.

Wie multimodale, immersive Technologien und Künstliche Intelligenz (KI) Menschen beim Training unterstützen können – und zwar mit Hilfe von virtuellen Coaches  –, darum geht es Fernando P. Cardenas-Hernandez und Jan Schneider. Die DIPF-Wissenschaftler des Arbeitsbereichs Educational Technologies des Informationszentrum Bildung (IZB) entwickeln eine App zum Lauftraining, das mit Hilfe einer Virtual-Reality-Brille durchgeführt wird: So können die Sportler*innen eintauchen in Trainingssettings oder auch Wettkampfszenarien, Erfahrungen sammeln und später auch beim Training in der „echten Welt“ umsetzen, beispielsweise beim Erlernen der korrekten Lauftechnik oder bei der Berücksichtigung des individuellen Fitnesslevels.

Wichtige Faktoren für ein gelungenes Lauftraining

Im Sportbereich sind digitale Technologien längst angekommen: mit Smartwatches, die Geschwindigkeit oder Herzfrequenz dokumentieren beispielsweise. Aber auch mit Websites, die Trainingsdaten sammeln und darauf abgestimmte Laufpläne erstellen. Viele Sporttrainer*innen setzen längst auf KI, um optimale Trainings- und Ernährungspläne für ihre Kund*innen zu erarbeiten.

Die Forscher bringen selbst einiges an Lauferfahrung mit. Jan Schneider trainiert seit über 20 Jahren intensiv, nimmt regelmäßig erfolgreich an Läufen unterschiedlicher Längen teil und hat selbst einen Personal Trainer an seiner Seite. Die eigene Erfahrung hilft dem Wissenschaftler bei der Entwicklung der App – denn hier ist mehr sportliches Fachwissen gefragt als ein Informatiker ohne Laufbezug mitbringen kann.

Das Projekt, das seit drei Jahren läuft und nun abgeschlossen wird, findet in Kooperation mit der Deutschen Sporthochschule Köln, dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz Berlin, der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen, dem Institut für Produktentwicklung und Konstruktionstechnik und dem Cologne Game Lab der Technischen Hochschule Köln statt.

App-Entwicklung in mehreren Schritten

„Wir sind bei der App-Entwicklung in mehreren Schritten vorgegangen“, so Schneider zum Studienaufbau. Zunächst wurden Interviews mit Trainern aus der ganzen Welt geführt und diese befragt, welche Aspekte ihnen beim Training mit Kund*innen wichtig sind. Eine ganze Liste von Fragen wurde abgearbeitet, vom üblichen Trainingsaufbau über den Umgang mit neuen Klient*innen bis hin zu Schwierigkeiten, bestimmte Lauftechniken zu vermitteln.
In einem zweiten Schritt identifizierten die Wissenschaftler die Muster aus den gesammelten Antworten und präzisierten die Ergebnisse durch einen weiteren Online-Fragebogen.

Sie fanden heraus, welche Faktoren für ein gelungenes Lauftraining wichtig sind. Das sind zum einen die körperlichen und auch technischen Faktoren (beispielsweise der Kraftaufbau, die korrekte Haltung etc.), zu denen bereits viel Forschung und Expertise vorliegt. Zum anderen sind auch mentale Faktoren und das eigene Körperbewusstsein beim Laufen von großer Bedeutung. Gerade auf den mentalen Aspekt haben sich die Forscher fokussiert, bei dem Fragen zu Motivation, Resilienz, Konzentration und Disziplin eine große Rolle spielen.

Fernando P. Cardenas-Hernandez und Jan Schneider im Austausch

Fernando P. Cardenas-Hernandez (li.) und Jan Schneider testen die Lauf-App mit der Virtual-Reality-Brille. Foto: DIPF

Nach der theoretischen Vorarbeit wurde die App für die Virtual-Reality-Brille entwickelt, wobei immer wieder die Usability für die Nutzenden geprüft und optimiert wurde. Auf den Prototypen folgte schließlich eine zweite, verbesserte Version mit Controllern, durch die die Testpersonen beispielsweise ihre Laufgeschwindigkeit kontrollieren können.
Das Forscher-Duo betont den konkreten Nutzen der App für Trainierende.

„Mit ihrer Hilfe können die Läufer*innen sich auf eine Wettkampfsituation vorbereiten: mit ungewohnten Menschenmassen, der Aufregung vor dem Start, dem Treffen von eigenständigen Entscheidungen in einer Hordensituation“, so Cardenas-Hernandez. „Die Simulation soll Menschen helfen, nicht durch Adrenalin gesteuert zu laufen, sondern mit Geist und Herz. Eben fokussiert zu bleiben“, ergänzt Schneider.

Die mentalen Aspekte der App sind auf andere Lebenssituationen übertragbar.

Auf die Frage, warum nun zwei Wissenschaftler aus der Bildungsforschung eine Sport-App entwickeln müssen, gibt es für Jan Schneider eine klare Antwort: „Bildung und Lernen gehören zusammen. Was ist der Sinn von Bildung? Den Menschen die Chance zu geben, ihr bestmögliches Leben zu leben. Dazu gehört auch, einen gesunden Körper zu haben. Die mentalen Aspekte, die wir in der App betrachten, können auf alle anderen Sportarten und viele andere Lebenssituationen übertragen werden“, sagt er.

Nach der abgeschlossenen Entwicklung möchten die Forscher ihre App möglichst vielen Menschen zugänglich machen. Zum Beispiel auf dem Frankfurter Science Festival am 28. September auf dem Roßmarkt. Dort werden viele DIPF-Wissenschaftler*innen allen Interessierten ihre Arbeit präsentieren. Und wer möchte, darf sich die Virtual-Reality-Brille aufsetzen – und einen virtuellen Wettkampf am eigenen Leib erleben.

Das Frankfurter Science Festival, auf dem auch die Lauf-App vorgestellt wird, findet am 28. September von 10 bis 18 Uhr statt. Viele DIPF-Wissenschaftler*innen sind dann vor Ort: mit einem bunten Angebot rund um die Themen Bildung, Lernen, Schule und mehr. Neben einem bunten Programm für Groß und Klein erwartet die Besucher*innen auch ein Glücksrad und viele tolle Gewinne.
Infos zum Festival