Forschen und Arbeiten unter Pandemiebedingungen: Ein ganz besonderer Jahresrückblick
Was war gut, was schwierig – und mit welchen Erkenntnissen und Wünschen gehen sie jetzt ins neue Jahr? Unsere Fragen:
- Inwieweit hat die Corona-Pandemie sich auf ihre Arbeit, auf den Austausch mit Kolleg*innen, auf konkrete (Forschungs)vorhaben für 2020 ausgewirkt?
- Was waren die größten Schwierigkeiten und Hindernisse dabei?
- Haben sich durch die Situation auch positive Perspektiven aufgetan, überraschende Erkenntnisse oder spannende Möglichkeiten?
- Ihr Wunsch für 2021 – beruflich wie persönlich?
Prof. Dr. Florian Schmiedek
Prof. Dr. Florian Schmiedek, Leiter des Arbeitsbereichs „Kognitive Entwicklung“, Abteilung Bildung und Entwicklung (BiEn)
- Es mussten Studien verschoben, beziehungsweise in Online-Untersuchungen umgebaut werden. Dafür hat Andreas Neubauer in meiner Arbeitsgruppe mit PACO – Psychologische Anpassung an die COVID-19-Pandemie eine Studie zur aktuellen Situation auf die Beine gestellt, so dass wir insgesamt recht produktiv waren. Vor allem sind mit vorhandenen Datensätzen eine ganze Reihe an Papers geschrieben worden, zu denen wir sonst später oder gar nicht gekommen wären. So viele eingereichte Manuskripte, an denen ich beteiligt war, wie dieses Jahr hatte ich noch nie.
»Mein geplanter Forschungsaufenthalt an der Universität Leuven in Belgien konnte nicht stattfinden.« - Was mich persönlich am meisten frustriert hat, war, dass ich im Frühjahr einen Forschungsaufenthalt an der Universität Leuven in Belgien geplant hatte, bei dem auch meine Familie einen Teil der Zeit mit dabei gewesen wäre – und der wegen Corona natürlich nicht hat stattfinden können (und für den ich auch noch keine alternative Perspektive gefunden habe).
- Ich bin seit März in Berlin im Homeoffice und eigentlich ganz froh, mal ein Jahr Pause von der Pendelei nach Frankfurt und mehr Zeit fürs Familienleben zu haben. Die gemeinsame Homeoffice-Situation mit meiner Frau und das teilweise Homeschooling unserer beiden Kinder haben wir bisher ziemlich gut gemeistert.
- Für 2021 wünsche ich mir aber doch, meine Mitarbeiter*innen möglichst bald wieder im echten Leben zu treffen. Das „Gezoome“ funktioniert von der Kommunikation auf der informativen Ebene zwar sehr gut und hat Vorteile, auf der emotionalen Ebene schlaucht einen dieses „sich immer nur auf dem Bildschirm zu sehen“ auf Dauer doch ganz ordentlich.
Stefan Kühne
Dr. Stefan Kühne, Leiter des Arbeitsbereichs „Bildungsmonitoring und Bildungsberichterstattung“, Abteilung Struktur und Steuerung des Bildungswesens
- Bei uns im Arbeitsbereich „Bildungsmonitoring und Bildungsberichterstattung“ fiel die Veröffentlichung des nationalen Bildungsbericht 2020 unmittelbar in die Zeit des ersten Lockdowns – ein Großprojekt mit zahlreichen Partnerinstituten, die für bestimmte Inhalte und Teilabschnitte federführend Verantwortung tragen. In der Phase, in der alle Analysen umgesetzt und im Entwurf aufbereitet waren, und es auf die Interpretation und den gemeinsamen Diskurs möglicher Botschaften und Schlussfolgerungen ankam, brachen die vertrauten Abstimmungskanäle zusammen. Die Möglichkeiten, sich virtuell zusammenzuschließen, haben das aber auszugleichen vermocht. Ob man im Homeoffice oder im Büro weilte, war dabei sekundär. Hier hat uns das DIPF hervorragende Möglichkeiten und Flexibilisierungen eröffnet.
- Schwierigkeiten habe ich an Punkten gespürt, wo man – aus der Ferne – Neuland betreten hat. Im Mai lief in unserem Arbeitsbereich mit InKuBi (Indikatoren für kulturelle Bildung) ein neues Projekt an – mit vier neuen Mitarbeiter*innen. Dabei in der inhaltlichen als auch in der organisatorischen und sozial-kommunikativen Entstehungsphase mit ausreichend Abstand zu agieren, war und ist eine große Herausforderung. Teambildung mal anders.
- Die fehlenden Möglichkeiten, sich in bislang üblichen, komfortablen Zeitfenstern vor Ort auszutauschen, haben uns dazu gezwungen, Dinge effizienter zu planen. Um Diskussionen in der Autorengruppe Bildungsberichterstattung nicht virtuell ausufern zu lassen, haben wir sehr positive Erfahrungen damit gemacht, dass schriftliche Rückmeldungen untereinander schon im Vorfeld der Sitzungen ausgetauscht werden. Die Sitzung selbst war dann auf zentrale Punkte dieses Feedbacks konzentriert. Die Auslagerung bestimmter Aufgaben auf indirekte, asynchrone und schriftliche statt mündliche Kanäle werden wir wohl so in die Zukunft mitnehmen.
- Sofern nicht in absehbarer Zeit ein Covid-19 Impfstoff verfügbar sein wird, wünsche ich mir vor allem, dass weiterhin regelmäßig die notwendigen und machbaren Rahmenbedingungen für das Arbeiten am DIPF und insbesondere in Teamstrukturen hinterfragt und angepasst werden – mit gemeinsamen Lösungen, wie auch auf Distanz das soziale Miteinander aufrecht erhalten werden kann. Für meine eigene Person wünsche ich mir, dass die in diesem Jahr bis auf Weiteres ausgesetzten Personalratswahlen bald nachgeholt werden können. Die Personalräte sind ja qua Gesetz zu einer verlängerten Amtsperiode verpflichtet worden, weil Wahlen unter den Bedingungen nicht durchführbar waren (oder schienen). Am DIPF Berlin sind nun ab Mitte Dezember von ehemals sechs gewählten Personalratsmitglieder*innen nur noch zwei im Dienst, weil es Wechsel, Vertragslösungen, Elternzeiten gab. Ich bin gespannt, ob und was die Politik für solche Situationen in Zukunft an Lösungen anbietet.
Dr. Nina Roczen
Dr. Nina Roczen, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Arbeitsbereich „Unterricht und Schule“, Abteilung Lehr- und Lernqualität in Bildungseinrichtungen (ehemals Bildungsqualität und Evaluation)
- Unser Projekt SysKo-BNE (Systemkompetenz im Bereich Bildung für nachhaltige Entwicklung) selbst konnten wir bisher erstaunlich gut weiterführen. Im Moment steht eine größere Datenerhebung mit dem neuen Systemkompetenz-Test in Schulen an – wir waren sehr überrascht, dass die Schulen trotz der aktuellen Situation so ein großes Interesse an einer Teilnahme gezeigt haben. Jetzt bangen wir jedoch trotzdem ein wenig, dass die für Januar und Februar 2021 geplanten Erhebungen wirklich stattfinden können.
- Mir fällt der Mangel an tatsächlichen sozialen Kontakten während der Arbeit besonders schwer.
- Wir konnten unser Projekt relativ unbeeinträchtigt weiterführen, deshalb waren wir jedoch auch nicht in der Situation, nach neuen Möglichkeiten und Alternativen (jenseits der virtuellen Besprechungen und Veranstaltungen) suchen zu müssen.
- Das mag banal klingen, aber ich wünsche mir, im Sommer 2021 mit meinen lieben Kolleg*innen im Garten der Mensa zu Mittag zu essen – und ich freue mich schon sehr auf meine erste Post-Corona-Dienstreise!
Dr. Doris Bambey
Dr. Doris Bambey, Leiterin des Arbeitsbereichs „Forschungsdaten Bildung“, Abteilung Informationszentrum Bildung (IZB)
- Das Team, das ich betreue, besteht zum Glück schon länger und es gab aus der Vor-Corona-Zeit gut funktionierende Formen des Austauschs. Auf die konnten wir zurückgreifen. Daher hat es durch das Umstellen auf Homeoffice keine Einbrüche gegeben. Alles läuft gut weiter, auch wenn der kleine Plausch zwischendrin schon sehr fehlt. Mit den Kolleg*innen im erweiterten Leitungskreis des IZB ist es ebenso, man kann sich gefühlt jederzeit kontaktieren und austauschen.
- Wir haben in der Umbruchzeit im März und April im Bereich Forschungsdaten Bildung mit dem Sondertatbestand eine große und sehr wichtige Antragsoffensive koordiniert. Sie musste dann ad hoc auf virtuell umgestellt werden. Auch die vorgesehenen zwei Begehungen durch die Bewertungsgruppen von Wissenschaftsrat und Leibniz mussten in kurzer Zeit in Videokonferenzen „übersetzt“ werden. Das war organisatorisch und inhaltlich schon eine sehr dickes Brett und hat an manchen Stellen Unwägbarkeiten in das Verfahren gebracht. Darum müssen wir uns jetzt im weiteren Verlauf kümmern.
- Die Flexibiltät, die durch Corona erforderlich wurde, hat dazu geführt, dass neue digitale Wege der Kommunikation konsequent Einzug in unser (Arbeits)Leben gehalten haben. Diese Erfahrung öffnet den Blick dafür, auch in Zukunft – in der Zeit, wenn hoffentlich die Impfungen gegriffen haben – die Unbedingtheit der Präsenzkultur zu relativieren und zu schauen, was macht wirklich Sinn und was ist beruflich aber auch sozial wichtig. Das betrifft sowohl den Arbeitsalltag als auch die Dienstreisen und Präsenzveranstaltungen.
- Ich wünsche mir, dass mit unserem großen Zukunftsvorhaben, das ich oben erwähnt habe, wirklich alles reibungslos verläuft. Persönlich verbinde ich damit den großen Wunsch, mit meinen Kolleg*innen zusammen die Dinge, die wir aufgebaut haben, mit langem Atem weiter vorantreiben und gestalten zu können. Persönlich freue ich mich auf den nächsten lauschigen Aufenthalt in einem zünftigen Biergarten, natürlich am liebsten unter alten Bäumen und mit Seeblick.
Dr. Stefan Cramme
Dr. Stefan Cramme, Leiter des Arbeitsbereichs „BBF-Bibliothek“, Abteilung BBF | Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung
- Für die Bibliothek und das Archiv der BBF hat sich die Pandemie unmittelbar durch die Schließung für die Öffentlichkeit Mitte März ausgewirkt. Erst zwei Monate später konnten wir eingeschränkt wieder Dienstleistungen vor Ort anbieten, müssen ganz aktuell im zweiten Lockdown die Angebote aber wieder einstellen. Unsere digitalen Infrastrukturen und unsere Beratungstätigkeit konnten wir weiter aufrechterhalten, und ebenso die Zusammenarbeit mit Kolleg*innen innerhalb und außerhalb des DIPF etwa bei Drittmittelanträgen und -projekten – nur eben jetzt in virtueller Form und ohne persönliche Treffen. Unsere bildungshistorischen Forschungsarbeiten werden aber teilweise deutlich von der Schließung von Archiven und Bibliotheken beeinträchtigt.
- Die Arbeitsvorgänge in der BBF sind stark von der Materialität unserer Sammlungen (Archivgut, Bücher) geprägt und lassen sich nicht von einem Tag auf den anderen ins Digitale überführen. Es ging also darum, schnell Aufgaben zu finden, die auch im Homeoffice erledigt werden können. Dies ist zwar insgesamt gut gelungen, lief aber nicht ohne Probleme, weil bei den Kolleg*innen in Bibliothek und Archiv, anders als in der Regel bei forschend Tätigen, teilweise keine entsprechende technische Ausstattung vorhanden war. Die virtuellen Besprechungen laufen deshalb mitunter etwas holprig ab, aufgrund des eingespielten und überwiegend schon lange zusammenarbeitenden Teams in der BBF klappt es aber doch fast immer. Insgesamt ist die Kommunikation jedoch deutlich aufwendiger geworden.
- Trotz der angesprochenen technischen Probleme zeigen die Erfahrungen aus diesem Jahr, dass Kommunikation über Videokonferenzen durchaus ihre Vorteile hat; ganztägige Dienstreisen für eine zwei- oder dreistündige Besprechung wirkten immer schon wie ein übertriebener Aufwand und müssen nicht wiederkehren (der informelle Austausch am Rande, etwa bei Tagungen, fehlt natürlich).
»Der schon vorher angestoßene Prozess in der BBF, unsere Dienstleistungen noch digitaler auszurichten, wurde weiter verstärkt.«
Die zeitweilige Schließung für die Benutzung hat den schon vorher angestoßenen Prozess in der BBF, unsere Dienstleistungen noch digitaler auszurichten, weiter verstärkt, und wir hoffen, diesen Schwung auch in nicht-pandemische Zeiten mitzunehmen. Die in diesem Jahr gezeigte Flexibilität der Kolleg*innen stimmt dabei sehr zuversichtlich. - Natürlich das, was wir uns alle wünschen: dass im kommenden Jahr wieder so etwas wie die gewohnte Normalität wiederkehren wird, man Kolleg*innen und private Kontakte nicht nur als Zoom-Kacheln, sondern leibhaftig treffen kann, auch Privatleben und Freizeitgestaltung nicht davon abhängig sind, was gerade verboten oder pandemisch sinnvoll ist. Speziell für die BBF wünsche ich mir, dass wir in unseren trotz der Pandemie neu gestalteten Räumen endlich Nutzer*innen empfangen und ihnen neue Arbeitsmöglichkeiten bieten können.