(In)effiziente Führung? Wie bei der Schulentwicklung Herausforderungen, Ziele und Maßnahmen zusammenhängen

(In)effiziente Führung? Wie bei der Schulentwicklung Herausforderungen, Ziele und Maßnahmen zusammenhängen
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01.10.2021 Hintergrund
Schulen in sozial belasteten Lagen stehen vor vielen Herausforderungen. Eine wichtige Rolle kommt den Schulleitungen zu. Aber wo anfangen, wie priorisieren? Dr. Susanne Böse und Prof. Dr. Stefan Brauckmann-Sajkiewicz legen in diesem Gastbeitrag dar, wie Schulentwicklungspläne helfen können, die Arbeit zu systematisieren. Was es dabei zu beachten gilt und in welchem Kontext die Schulentwicklung stattfindet, verdeutlichen die Forschenden anhand von Erfahrungen aus Berlin.

Wenn die Leiter*innen von Schulen in sozial herausfordernder Lage erfolgreiche Arbeit leisten wollen, kommt es vor allem auf zwei Dinge an: Sie brauchen in besonderem Maße die Fähigkeit, die Bedürfnisse, Interessen und Herausforderungen der eigenen Schule zu erkennen, sowie die Bereitschaft, diese immer wieder neu zu bewerten und dementsprechend eine effektive Schulentwicklungsarbeit voranzutreiben. Eine Möglichkeit, die Schulentwicklungsarbeit zu strukturieren, besteht darin, sogenannte Schulentwicklungspläne aufzustellen. Die Pläne helfen den Schulleiter*innen, die Situation ihrer Schulen zu analysieren, Probleme zu erkennen, Lösungen zu entwickeln und letztlich passende Maßnahmen einzuleiten.

Dabei spielt die individuelle Perspektive der jeweiligen Leitung eine zentrale Rolle: Sind die Pläne unangemessen, nicht realisierbar und letztlich unwirksam, kann das erhebliche Auswirkungen auf alle Beteiligten haben. Ziel von Schulentwicklungsplänen ist es, nicht nur die schulischen Leistungen, sondern auch die Organisation und das Management der Schule zu verbessern; das bloße Erstellen eines solchen Plans ist jedoch noch keine Garantie dafür, dass er auch wirksam ist.

»Das bloße Erstellen eines Schulentwicklungsplans ist noch keine Garantie dafür, dass er auch wirksam ist.«

Von entscheidender Bedeutung sind die Ziele, auf die die Pläne ausgerichtet sind. Die Qualität und der Umfang dieser Ziele sowie der Zeitrahmen, um sie zu erreichen, müssen angemessen berücksichtigt werden. Bevor die Leitungen jedoch überhaupt Ziele festlegen können, gilt es, die Situation gründlich und möglichst rational zu analysieren. Nur so lassen sich die jeweiligen Herausforderungen und Problemlagen der Schule identifizieren. Das stellt gerade zu Anfang eine große Hürde dar.

Folglich sollte die Situationsanalyse sowohl innerhalb als auch außerhalb der Schule ansetzen. Beispielsweise sollten die Leiter*innen in den Blick nehmen, über welche Qualifikationen das Lehrkräftekollegium verfügt, in welchem familiären Umfeld die Schüler*innen leben und welche externen Fachkräfte und Unterstützungsangebote ge-gebenenfalls hinzugezogen werden können. Eine solche kontextuelle Einbettung der Ausgangssituation prägt nicht nur die Beobachtungs-, Beurteilungs- und Bewertungskompetenz der Schulleiter*innen, sondern auch die daraus resultierenden Entscheidungen und Handlungen.

Ein Blick auf das Berliner Bonus-Programm

Schulentwicklungspläne sollten strategisch und nachhaltig gestaltet sein. Nur so können sie dabei helfen, die Bildungsqualität an den Schulen zu steigern. Es lässt sich jedoch kein linearer Zusammenhang zwischen einem erhöhten finanziellen Ressourceneinsatz und einem Zugewinn an Effektivität der Schulen feststellen. Folgerichtig setzt sich die Erkenntnis durch, dass nicht die Höhe der zusätzlichen Ressourcen, sondern ihr Einsatzgebiet entscheidend ist.

»Nicht die Höhe der zusätzlichen Ressourcen ist entscheidend, sondern ihr Einsatzgebiet.«

Im Kontext dieser Thematik ist das Berliner Bonus-Programm zu verorten. Auf Initiative der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (SenBJW) unterstützt es diejenigen Schulen finanziell, die durch eine hohe soziale Belastung aufgrund der Zusammensetzung der Schüler*innenschaft oder des Sozialraumes ihres Standortes gekennzeichnet sind. Auf Grundlage des sogenannten lmb-Faktors, der den Anteil der Schüler*innen bestimmt, die von der Zuzahlung zu Lernmitteln befreit sind, erhalten die Schulen eine jährliche Fördersumme. Sie kann bis zu 100.000 Euro betragen und enthält sowohl Basis- als auch leistungsbezogene Zuweisungen. Die Schulen können weitgehend eigenständig über die Mittel entscheiden, wobei die Schulleiter*innen in diesem Programm eine zentrale Rolle einnehmen. Denn sie entscheiden über den zusätzlichen Ressourceneinsatz.

In diesem Zusammenhang haben wir uns vertiefend mit Daten der BONUS-Studie befasst. Die Studie war die offizielle wissenschaftliche Begleitung und Evaluation des Berliner Bonus-Programms durch das DIPF. Auf Basis der Angaben von 164 Schulleiter*innen wollten wir mehr zum Zusammenhang zwischen Herausforderungen, Zielen und Maßnahmen herausfinden – und wie diese mit (selbstberichteten) Verbesserungen zusammenhängen. Um die spezifischen Ziele und Maßnahmen der Schulentwicklungspläne der am Bonus-Programm teilnehmenden Schulen zu ermitteln, haben wir zudem die offiziellen Zielvereinbarungen, die zwischen den Schulen und der jeweiligen Schulaufsicht vereinbart wurden, untersucht.

Die wichtigsten Ergebnisse der explorativen und deskriptiven Analysen deuten darauf hin, dass die meisten Schulleiter*innen die Herausforderungen und Ziele ihrer Schulen zwar hauptsächlich darin sahen, den Unterricht weiterzuentwickeln, aber Maßnahmen wählten, die mehr zur Organisationsentwicklung geeignet waren. Ein Beispiel für die Unterrichtsentwicklung könnte etwa sein, die gruppenorientierte Projektarbeit in den Klassen zu fördern, während zur Organisationsentwicklung gehören kann, das Schulleitbild besser nach außen zu kommunizieren. Die Ergebnisse der Analysen verdeutlichen auf jeden Fall: Die Wahl ungeeigneter Ziele und Maßnahmen kann dazu führen, dass Erfolge bei der Schulentwicklungsarbeit ausbleiben.

Lehren für die Zukunft

Die „lessons learned“ eines solchen Programmdesigns sind, dass die im Bonus-Programm initiierte Schulentwicklungsarbeit weiter intensiviert und professionalisiert werden muss. Es sind drei Ansatzpunkte denkbar, die in Zukunft berücksichtigt werden sollten:

  1. Um eine systematische Schulentwicklung längerfristig zu betreiben und ihre Nach-haltigkeit zu sichern, ist es ratsam, ein allgemeines Konzept als Leitlinie für die jeweiligen Schulen zu entwickeln. Es wäre sinnvoll, die entsprechenden Bestrebungen an einer solchen längerfristigen Strategie auszurichten. Für die Auswahl von Entwicklungsschwerpunkten braucht es einen zentralen Fokus, der oft zu fehlen scheint. Er sollte in der Regel in den Bereichen Organisation, Unterricht und Personal als Gesamtstrategie einer Schule liegen.
  2. Es kommt darauf an, den Beitrag der Schulaufsicht zu erhöhen. Sie sollte stärker in die Konzeption der Schulentwicklungsbestrebungen einbezogen werden und den Prozess intensiver begleiten und unterstützen. Innerhalb des Schulsystems ist die Ebene der Schulaufsicht von zentraler Bedeutung. Sie kann als Schnittstelle zur Schulebene fungieren und so eine Schlüsselrolle für die erfolgreiche Umsetzung neuer Maßnahmen und Programme spielen. Zudem sollte die Schulaufsicht nicht primär eine Kontrollfunktion übernehmen, wie es derzeit im Bonus-Programm der Fall ist. Vielmehr sollte sie unterstützend und beratend tätig sein.
  3. Die Unterstützung und Beratung durch externe Expert*innenteams sollte vermehrt genutzt werden. Sie können beispielsweise gezielt zur Schulentwicklung beraten oder entsprechende (Schulleiter*innen-)Fortbildungen anbieten. Im Bonus-Programm hat das nur in geringem Umfang stattgefunden. Dazu gehört auch ein kontinuierliches und möglichst datengestütztes Monitoring. Es sollte in den Blick nehmen, welche Wirkungen man sich von den jeweiligen Maßnahmen erhofft hatte, und diese mit den erreichten Zielen abgleichen. So lassen sich gegebenenfalls Anpassungen vornehmen.

Autor*innen: Dr. Susanne Böse und Prof. Dr. Stefan Brauckmann-Sajkiewicz

 

Dr. Susanne Böse ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung „Lehr- und Lernqualität in Bildungseinrichtungen“ des DIPF. Unter anderem ist die Erziehungswissenschaftlerin am Projekt „SchuWaMi“ beteiligt, das sich mit Schulkulturen im Kontext aktueller Fluchtmigration befasst. Sie gehörte außerdem zum DIPF-Team, das das Berliner Bonus-Programm zur Unterstützung von Schulen in sozial herausfordernder Lage evaluiert hat.

Prof. Dr. Stefan Brauckmann-Sajkiewicz ist Professor für „Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung im Bildungsbereich” an der österreichischen Universität Klagenfurt. Er ist zudem stellvertretender Vorstand des Instituts für Unterrichts- und Schulentwicklung der Universität, stellvertretender Vorsitzender der Österreichischen Gesellschaft für Forschung und Entwicklung im Bildungswesen (ÖFEB) und im Herausgeberstab der Zeitschrift für Bildungsforschung. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen u. a. die Schulentwicklungs- und die Schulleitungsforschung, wobei er auch Kooperationspartner der BONUS-Studie ist.