Wie arbeitet das BBF-Archiv eigentlich in Corona-Zeiten?
Aufgrund der Corona-Pandemie sind die Bibliothek und das Archiv – den Maßgaben der Berliner Senatsverwaltung entsprechend – für den Publikumsverkehr geschlossen. (Anmerkung der Redaktion: Inzwischen gibt es Pläne zur Wiederöffnung, momentan ist wieder die Ausleihe von Medien möglich, der Präsenzbetrieb allerdings noch nicht).
Unsere Kolleg*innen sind auf Beschluss des Vorstands des DIPF seit dem 16. März gehalten, im Homeoffice zu arbeiten. Bisher dachte ich, dass das für den Berufsstand der Archivare – aus praktischer, rechtlicher und organisatorischer Sicht – nahezu unmöglich ist – aber ich habe mich eines Besseren belehren lassen!
Da sich eine Aussetzung der öffentlichen Nutzung und auch eine Empfehlung zur Arbeit im Homeoffice abzeichnete, waren bereits in der Woche vor der Schließung alle Kolleg*innen im Arbeitsbereich Archiv gebeten worden, mögliche „Arbeitspakete“ physischer und auch digitaler Natur abzustimmen und für zu Hause zusammenzustellen. Die physischen Arbeitspakete, bestehend aus dem jeweils zu erschließenden Archivgut, Verpackungsmaterial (in ausreichender Menge für rund zwei Wochen), Arbeitsmaterialien (Spatel, Falzbein und ausreichend Bleistifte) sowie kontextualisierender Literatur, wurden ebenso ausgeliefert wie die in einigen Fällen noch fehlende technische notwendige Hardware in Form von Monitoren oder Tastaturen.
Auslieferungstouren quer durch Berlin
Die Auslieferungstouren – bisher waren es drei Fahrten – führen quer durch Berlin, nach Potsdam und Brandenburg an der Havel. Da wir die privaten Wohnungen der Kolleg*innen nicht „bis unter das Dach“ vollstellen können und wollen, enthält eine Auslieferung in der Regel Arbeitspakete für einen Zeitraum von zwei Wochen. Der Lieferdienst umfasst also jeweils die Anlieferung neuer Materialien und die Abholung der bereits bearbeiteten Archivalien und die Verbringung derselben zurück ins Magazin beziehungsweise die Büros für notwendige Nacharbeiten, die nur direkt in der BBF geleistet werden können.
Die „Verbannung“ ins Homeoffice ermöglicht es uns zudem, Dinge voranzutreiben, die bisher immer etwas nach hinten verschoben wurden. Hierzu gehören beispielsweise die Bereinigung von Datensätzen in der Archivdatenbank und der eigenen wie auch der gemeinsam genutzten elektronischen Ablagen, die Einbindung von Digitalisaten, die Transkriptionen von kleineren Briefwechseln oder Reisetagebüchern als Vorbereitung für kommentierte Editionen und die Fertigstellung der notwendigen Vorbereitungen für die technische Auslieferung unserer Bestands- und Erschließungsdaten an das Archivportal-D.
Die Kommunikation im Team wurde durch regelmäßige Einzelgespräche per Telefon und regelmäßige Telefonkonferenzen aller Kolleg*innen sowie virtuelle Mittagsrunden aufrechterhalten. Unsere IT hat uns dabei bestens unterstützt. Innerhalb von zwei Tagen wurden für das Team (mit den Hilfskräften sind wir gerade 12 Personen) alle nötigen Umsetzungen, zum Beispiel die Einrichtung der Virtuellen Maschinen für den Zugriff aufs DIPF-Netzwerk und den Zugang zur Archivdatenbank, geleistet. Wenn es doch einmal etwas hakte, erhielten wir immer ganz schnell und unkompliziert Hilfe.
Verständnis der Nutzer*innen
Die Anfragen der Archivnutzer*innen erreichen uns über Rufumleitungen oder per E-Mail. Im Kontakt mit den Nutzer*innen haben wir die überaus positive Erfahrung gemacht, dass alle für die besondere Situation Verständnis aufbringen; auch dafür, dass Auskünfte nun gelegentlich etwas länger dauern, oder auch zunächst nur Zwischenergebnisse mitgeteilt werden können. Denn die Anfragenbearbeitung bedarf in der Mehrzahl der Fälle der Auswertung des physisch in der BBF lagernden Archivgutes (nur ein sehr geringer Teil der Archivbestände liegt digitalisiert vor). Daher werden die Anfragen gebündelt und an entsprechend abgestimmten Arbeitstagen vor Ort bearbeitet. Vor dem Hintergrund, dass eine Öffnung des Lesesaals für Archivnutzer*innen gegenwärtig noch nicht absehbar, eine Einsichtnahme in Archivalien aber für das wissenschaftliche Arbeiten unerlässlich ist, bleibt gegenwärtig neben der intensiven schriftlichen und fernmündlichen Beauskunftung nur die Bereitstellung von Digitalisaten.
Zur Sicherung der Einrichtung haben wir eine vor Bereitschaft vor Ort mit wenigen Kolleg*innen aus Bibliothek und Archiv, die täglich die Kontrollgänge (Havarie, Einbruch, sonstige Sicherheit) durchführt. Falls mehrere Personen aus dem Team-Archiv hier am Standort (und somit auf einem Flur) sind, sprechen wir uns genau ab, um das Abstandsgebot auch in der Einrichtung aufrecht zu halten. Das hat dann zur Folge, dass Kolleg*innen gegebenenfalls länger im Magazin arbeiten müssen, um die Personenanzahl, die sich gleichzeitig auf dem Flur bewegen, zu reduzieren.
Die gegenwärtigen Erfordernisse haben also zu einer umfassenden Veränderung unserer sonst üblichen Arbeitsweise geführt: der physische Arbeitsort, die Arbeitsabläufe und die Kommunikation sind ungewohnt – das Büro und der tägliche Austausch über den Flur oder in der Teeküche fehlen -, die Arbeitsaufgaben und -anforderungen sind hingegen unverändert. Die Herausforderungen, die mit den Veränderungen verbunden sind, haben alle im Team angenommen und bewältigt. Hierfür hat das DIPF die notwendigen Strukturen, Hilfestellungen und Flexibilisierungen geboten.
Für mich bleibt die Einsicht, dass ein Teil der archivischen Kernaufgaben (Bewerten, Erschließen, Beauskunftung) im Homeoffice und auf Entfernung geleistet werden können – wenn vielfach auch unter etwas erschwerten Bedingungen. Für die große Flexiblität und das außerordentliche Entgegenkommen meines Archiv-Teams, das eigene Heim kurzerhand zum Büro und Archivmagazin umzugestalten, möchte ich mich an dieser Stelle ganz herzlich bedanken!
Dessen ungeachtet freuen wir uns aber sicher auch alle wieder auf die Zeit der Begegnung mit den Nutzenden im Lesesaal und mit den Kolleg*innen am Arbeitsplatz.
Autorin: Dr. Bettina Reimers
Dr. Bettina Reimers ist seit 2008 Archivleiterin der Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung (BBF) in Berlin. Ihre Arbeits- und Forschungsschwerpunkte sind Erwachsenenbildung und Kultur- und Bildungsgeschichte sowie Bildungspolitik im Kaiserreich und in der Weimarer Republik. Sie hat Germanistik, Pädagogik, Italienisch und Politologie an der Albert-Magnus-Universität zu Köln und der Eberhard-Karls-Universität Tübingen studiert.