Projekt des Monats: GREAT

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14.03.2025 Nachricht
Das Forschungsprojekt untersucht, wie Spiele zur Förderung des sozialen Engagements von Bürger*innen und zur Erleichterung des Dialogs zwischen Bürger*innen und politischen Akteur*innen genutzt werden können.

Wie kann man Menschen dazu bringen, an für die Gesellschaft wichtigen Debatten teilzunehmen – zu drängenden Themen wie beispielsweise Klimaschutz? Wie erhöht sich bei Bürger*innen das Bewusstsein für solche Diskurse? Und wie können wiederum der Politik Informationen bereitgestellt werden, um Lösungsansätze zu entwerfen, die die Wünsche und Bedürfnisse der Gesellschaft im Blick haben?
Diese Fragen stellt sich das Team des europäischen Forschungsprojekts GREAT, für das das DIPF ein Konsortium aus Instituten, Universitäten und Spieleproduzenten koordiniert. Und die beteiligten Wissenschaftler*innen, Spielentwickler*innen und politische Entscheidungsträger*innen haben eine so einfache wie eindeutige Antwort gefunden: mit Computerspielen!
GREAT – Akronym für „Games Realising Effective & Affective Transformation (in Societal and cultural domains)“ – untersucht, wie Spiele zur Förderung des sozialen Engagements von Bürger*innen und zur Erleichterung des Dialogs zwischen Bürger*innen und politischen Akteur*innen genutzt werden können.

Weltweit rund 3,7 Milliarden Gamer

Die Zahlen sprechen für sich. Es gibt weltweit rund 3,7 Milliarden Gamer, das sind 40 Prozent der Menschen auf diesem Planeten. Sie alle tummeln sich in Onlinegames und auf Spieleplattformen. „Durch Computerspiele können wir mehr Menschen dazu bringen, sich an einer öffentlichen Debatte zu beteiligen – und zwar in einer besonders spannenden Weise“, sagt Dr. Jane Yau, die am DIPF im Arbeitsbereich Educational Technologies neben Prof. Dr. Hendrik Drachsler die Koordination von GREAT innehat. Computerspielen für eine bessere Gesellschaft also, denn GREAT hat es sich zum Ziel gemacht, durch Spiele einen Kommunikationskanal zwischen den Bürger*innen und den politischen Entscheidungsträgern zu ermöglichen, den es bisher so nicht gibt.

Dafür haben sich die Forschenden eine ganze Reihe von Partner*innen ins Boot geholt: die University of Bolton in Großbritannien, die Frederick University Zypern, die International University of La Rioja in Spanien, das Zentrum für Soziale Innovation (ZSI) in Österreich. Dazu kommen noch die Spieleproduzenten Serious Games Interactive, Dänemark, und Playmob Limited, Großbritannien (von PlanetPlay 2024 übernommen). Als Assoziierte sind außerdem noch die Beijing Normal University, China, und die Noordwes-Universiteit, Südafrika, mit dabei. Die Europäische Union und UKRI (UK Research and Innovation) fördern das Projekt

Neue Form des Dialogs zwischen Bürgern und politischen Akteuren

Das GREAT-Projekt möchte zeigen, dass Spiele positive Auswirkungen auf das soziale Engagement haben – und eine neue Form des Dialogs zwischen Bürgern und politischen Akteuren schaffen. Durch die Erforschung des innovativen Potenzials von Spielen können die Bürger*innen ihre Präferenzen und Einstellungen zu politischen Themen zum Ausdruck bringen. Wie das funktionieren kann, dafür führt das Team eine große Reihe von internationalen Fallstudien durch – um den neuen Ansatz zu testen, sein Potenzial zu untersuchen und schließlich die Ergebnisse zu verallgemeinern und nachnutzbar zu machen. „Die Spiele sind nach dem Ansatz von Citizen Science Games gestaltet. Wir lassen die Bürger*innen an der gesamten Entwicklung teilhaben, zum Beispiel beim Designprozess der Spiele“, erläutert Yau.

Im Projekt erproben die Wissenschaftler*innen zwei unterschiedliche Spieleansätze: Sie testen zum einen einfach gestaltete, kurze Quiz-Spiele auf Smartphones und Tablets, mit denen sich besonders hohe Nutzer*innenzahlen und damit Datenmengen generieren lassen. Die Quizfragen können unterschiedliche Themenbereiche abdecken – von Energie über Ernährung, Umweltschutz und Ökologie. Die Umsetzung: Die Umfragen werden den Nutzenden in populären und bereits etablierten Spielen wie Angry Birds oder Pokémon angezeigt und sie werden aufgefordert, sich zu beteiligen. „Dabei wirken die Surveys teilweise selbst wie ein Teil des Spiels, was die Nutzenden noch zusätzlich motiviert“, sagt Yau. An der Umsetzung beteiligt ist die Initiative Play2Act von PlanetPlay und dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) als Teil von GREAT, die herausfinden will, wie diese eingebetteten Umfragen zur Bewältigung der Klima- und Naturkrise beitragen können. Die bisherigen Fallstudien dazu sind vielversprechend: „900 000 Menschen haben die Umfrage gesehen, und rund 200 000 haben sie durchgeführt. Das sind gute Datenmengen für uns“, so Yau.  

Der zweite Ansatz umfasst komplexere Spiele, die soziale Dilemmata zum Thema machen und von kleinen Gruppen wie beispielsweise Schulklassen gespielt werden. Hierbei lassen sich qualitative Daten generieren und so vertiefte Erkenntnisse über die Meinungen und Bedürfnisse der Bürger*innen gewinnen. Zum Beispiel über die Einstellung junger Menschen zu sogenannten Green Jobs, also Berufen, die direkt oder indirekt zur Verbesserung oder zum Schutz der Umwelt beitragen. Schüler*innen diskutieren gemeinsam über Fragen rund um Green Jobs, geben die Antworten in ein extra dafür entwickeltes Serious Game ein und kommen so in den Austausch über ganz unterschiedliche Themenkomplexe. Zum Beispiel, was die Gründe dafür sein könnten, keinen Green Job anzunehmen. „Dabei spielen beispielsweise finanzielle Sicherheit, Work-Life-Balance oder die Angst vor Jobverlust eine Rolle“, so Yau.

Neuartiger Ansatz

In diesem Jahr nun sollen die bisherigen gesammelten Daten weiter ausgewertet und zusätzliche Fallstudien zusammen mit der UNDP und möglicherweise auch mit dem EU-Parlament durchgeführt werden. „Wir möchten außerdem mehr Spielesoftware-Unternehmen mit ins Boot holen und den Fokus auch auf spezielle Bevölkerungsgruppen richten. „Wenn man zum Beispiel Frauen gezielt erreichen will, muss man wissen, welche Spiele von ihnen besonders gerne gespielt werden.“ Durch die Wahl der Spiele, in denen die Umfragen eingebettet sind, kann man auch gezielt Länder und Bevölkerungsgruppen in den Fokus nehmen und so die Daten eingrenzen und spezifizieren. „In unserer letzten UNDP-Fallstudie hatten wir beispielsweise Beteiligte aus allen Ländern der Welt außer Eritrea und Nordkorea“, erläutert Jane Yau. Sie ist überzeugt von dem neuartigen Ansatz von GREAT, der Expertise in Datenanalyse, Spieleentwicklung und Politikberatung zusammenführt – zur Förderung der Demokratie. „Unsere Stärke liegt in der Zusammenarbeit“, sagt Yau.

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