Konzentriert, auf Entdeckungstour oder am Träumen – dem Leseverhalten bei digitalen Schulaufgaben auf der Spur
Für die Studie wurden Daten aus der PISA-Studie 2012 herangezogen, welche einen zusätzlichen Schwerpunkt darauf gelegt hatte, wie kompetent Schüler*innen Texte in digitalen Medien lesen können. In verschiedenen Aufgaben mussten die Teilnehmenden zum Beispiel herausfinden, welche Dienstleistungen eine Internet-Lernplattform anbietet, welches Fitnessstudio aus einer gegebenen Auswahl am günstigsten ist oder wann ein bestimmtes Konzert stattfindet. Die bei der Lösung dieser Aufgaben entstandenen Logdaten – Mausklickdaten mit Angaben zum Zeitpunkt des Klicks – wurden von den Forscher*innen um Dr. Carolin Hahnel vom DIPF auf gemeinsame Muster hin überprüft. Dabei verwendeten sie die Daten von 9.226 Schüler*innen aus sieben Ländern (Australien, Deutschland, Frankreich, Irland, Kanada, Österreich, USA). Die Ergebnisse der Studie werden nun in einem Fachartikel im Journal of Computer Assisted Learning erläutert, dessen Erstautorin Dr. Hahnel ist.
Besonders relevant waren für die Wissenschaftler*innen die einzelnen Navigationsschritte und zu welchem Zeitpunkt die Schüler*innen diese unternommen haben. „Wenn sich in der Abfolge der einzelnen Schritte klare gemeinsame Muster auffinden lassen, dann können diese auch hilfreich sein, um bei digitalen Leseaufgaben gezielt Feedback zu geben", erläutert die DIPF-Wissenschaftlerin den Ansatz der Studie. „Lehrkräfte könnten somit Hinweise darauf erhalten, ob jemand nicht ganz bei der Sache ist oder Verständnisprobleme hat.“
Tatsächlich wurden je nach Aufgabenstellung mehrere Muster gefunden, welche sich zudem auch länderübergreifend feststellen ließen. Beispielsweise fand sich eine „erkundende Gruppe“ von Schüler*innen, die weniger konzentriert und zielsicher vorgingen als Schüler*innen in einer „aufgabenorientierten Gruppe“. Beide Gruppen waren aber deutlich aktiver als etwa Schüler*innen mit einem passiven Bearbeitungsstil. Um diese Muster und Gruppenzuordnungen besser interpretieren zu können, wurden sie in einem zweiten Schritt im Zusammenhang mit den jeweils gemessenen Leseleistungen der Schüler*innen, dem Geschlecht und dem sozioökonomischen Status ausgewertet.
Dabei bestätigte sich, dass die digitalen Verhaltensmuster der einzelnen Schüler*innen auch durch ihre jeweilige Lesefähigkeit erklärbar sind. „Die passive Gruppe zeigte zum Beispiel im Schnitt schlechtere Lesekompetenzen – digital und auch bei Printmaterialien“, betont Carolin Hahnel. „In Bildungskontexten ist es wiederum von zentraler Bedeutung, gerade die wenig aktiven Schüler*innen zu erkennen. Es gilt, sie zu ermuntern und nicht zuletzt den Grund für ihre fehlende Motivation zu finden.“ Zugleich warnte sie davor, Lesefertigkeiten allein aus der Auswertung von Logdaten und der Einordnung in eine Verhaltensgruppe abzuleiten. Stattdessen müssten immer auch die jeweilige Aufgabenstellung und der Kontext, in dem sie bearbeitet wird, mitbetrachtet werden. Nicht zuletzt stehe die Forschung zur kontextsensitiven Anwendbarkeit von Logdaten in digitalen Lernprogrammen noch in ihren Anfängen, so die Psychologin.
Der Fachartikel, in dem das wissenschaftliche Team die Studie beschreibt:
Hahnel, C., Ramalingam, D., Kroehne, U., & Goldhammer, F. (2022). Patterns of reading behaviour in digital hypertext environments. Journal of Computer Assisted Learning, 1–14. https://doi.org/10.1111/jcal.12709
Der Beitrag ist im Open Access veröffentlicht und damit frei zugänglich:
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/jcal.12709
Kontakt
Fachliche Ansprechpartnerin:
Dr. Carolin Hahnel, DIPF, +49 (0)69 24708-727
Presse:
Anke Wilde, DIPF, +49 (0)69 24 708 824