BERLIN-Studie – Bildungsentscheidungen und Bildungsverläufe vor dem Hintergrund struktureller Veränderungen im Berliner Sekundarschulwesen

Die BERLIN-Studie ist die wissenschaftliche Begleituntersuchung zur Berliner Schulstrukturreform, deren zentrale Merkmale die Zusammenlegung der bisherigen Haupt-, Real- und Gesamtschulen zur neu eingeführten Integrierten Sekundarschule (ISS) und die Neugestaltung des Übergangsverfahrens in die weiterführenden Schulen sind.

Projektbeschreibung

Das Land Berlin hat zum Schuljahresbeginn 2010/11 eine umfassende Schulstrukturreform durchgeführt. Dabei wurden die bislang bestehenden Haupt-, Real- und Gesamtschulen zur neu geschaffenen Integrierten Sekundarschule (ISS) zusammengefasst. An der ISS können alle Schulabschlüsse einschließlich des Abiturs erworben werden. Die ISS sieht ferner ein flächendeckendes Ganztagsangebot und eine stärkere Betonung der Berufsorientierung (Duales Lernen) vor. Zudem wurde die Klassenwiederholung an den ISS abgeschafft. Die Ziele der Strukturreform liegen in erster Linie darin, die Zahl der Absolvent*innen mit mittlerem Schulabschluss und mit Hochschulreife zu erhöhen und die Zahl der Abgänger*innen ohne Schulabschluss zu reduzieren. Gleichzeitig soll durch die Reform der Zusammenhang von familiärer Herkunft und Bildungserfolg verringert werden. Im Rahmen der Schulstrukturreform kam es darüber hinaus zu einer Modifikation des Übergangsverfahrens von der Grundschule in die weiterführende Schule. Die wichtigste Neuerung betrifft das Aufnahmeverfahren an den einzelnen weiterführenden Schulen. Sofern es an einer Schule mehr Anmeldungen als freie Plätze gibt, werden bis zu 10 Prozent der Plätze an Schüleri*nnen aus besonderen familiären und sozialen Lagen („Härtefälle“) vergeben. 60 Prozent der Schüler*innen wählt die Schule aus, z.B. auf der Grundlage der Schulnoten oder von Eingangstests. Die restlichen 30 Prozent der Plätze werden per Losentscheid vergeben. Die neuen Regelungen sollen einerseits eine stärkere Profilbildung der Schulen ermöglichen, andererseits soll vor allem durch den Losentscheid ein Mindestmaß an Heterogenität in der Zusammensetzung der Schülerschaft gewährleistet bleiben.

Die BERLIN-Studie untersucht die Auswirkungen der Berliner Schulstrukturreform auf die Lernerträge und Bildungsverläufe der Schülerinnen und Schüler. Dazu wird in der BERLIN-Studie ein Schuljahrgang untersucht, der als zweite Kohorte die neue Schulstruktur durchläuft und gleichzeitig als erste Kohorte nach dem neuen Übergangsverfahren auf die beiden Sekundarschulformen (Gymnasium und ISS) übergegangen ist. Die Schüler*innen werden vom Ende ihrer Grundschulzeit (6. Jahrgangsstufe) bis zum Übergang in die gymnasiale Oberstufe bzw. in die berufliche Ausbildung begleitet. Das Studiendesign ist quasi-experimentell angelegt und umfasst zwei Stufen: Stufe I (Untersuchungsmodel 1) konzentriert sich auf den Übergang von der Grundschule in die Sekundarstufe I und Stufe II (Untersuchungsmodule 2 und 3) auf die am Ende der Sekundarstufe I erreichten Bildungserträge und den Übergang in die berufliche Erstausbildung bzw. in einen vorakademischen Bildungsgang (gymnasiale Oberstufe). In beiden Stufen ist im Studiendesign jeweils eine eigene Experimental- und Kontrollgruppe angelegt, wobei die beiden Experimentalgruppen am Ende der Sekundarstufe I miteinander verzahnt werden (vgl. Abb. 1).

Abbildung 1: Untersuchungsdesign der BERLIN-Studie

BERLIN-Studie Modul 1 – Stufe I der BERLIN-Studie, Quasi-Experimentalkohorte.
BERLIN-Studie Modul 2 – Stufe II der BERLIN-Studie, Quasi-Experimentalkohorte.
BERLIN-Studie Modul 3 – Stufe II der BERLIN-Studie, Kontrollkohorte.

Stufe I: Übergang von der Grundschule in die neu strukturierte Sekundarstufe

Bei den in der Stufe I der BERLIN-Studie (Modul 1) untersuchten Schüler*innen handelt es sich um den ersten Jahrgang, der das neue Übergangsverfahren durchlaufen hat. Etwa 3500 Schüler*innen aus 87 zufällig gezogenen Berliner Grundschulen werden von der Jahrgangsstufe 6 bis zur 10. Jahrgangsstufe begleitet. Die Grundschullehrkräfte sowie die Schulleitungen der Grundschulen und der weiterführenden Schulen sind ebenfalls mit in die Untersuchung einbezogen. Eine zentrale Rolle im Übergangsprozess nehmen die Eltern der Schüler*innen ein. Sie wurden in der BERLIN-Studie vor, während und nach dem Übergang ihrer Kinder in die weiterführende Schule befragt (vgl. Abb. 2).

Eine weitere Neuerung im Übergangsverfahren von der Grundschule in die weiterführenden Schulen ist die Verlängerung der Probezeit am Gymnasium von einem halben auf ein volles Schuljahr. Das bedeutet, dass einige Schüler*innen am Ende der 7. Jahrgangsstufe vom Gymnasium auf eine Integrierte Sekundarschule wechseln und dort ihre Schullaufbahn fortsetzen. Die BERLIN-Studie untersucht die weitere schulische Entwicklung dieser Schüler*innen. Die Mehrzahl dieser Schulwechsler*innen wird in Stufe I der BERLIN-Studie eingegliedert und in die Befragungen der 9. und 10. Jahrgangsstufe integriert.


Abbildung 2: Übersicht der Erhebungen in Stufe I der BERLIN-Studie

Zentrale Fragestellungen der ersten Studienstufe der BERLIN-Studie sind unter anderem:

  • Wie beurteilen Schulleitungen, Lehrkräfte und Eltern die aktuellen Neuerungen im Übergangsverfahren?
  • In welchem Maße sind Veränderungen bei den elterlichen Aspirationen für den weiteren Bildungsweg der Kinder und bei der Vergabe der Förderprognose durch die Grundschulen vor und nach der Systemumstellung beobachtbar?
  • Welche Muster im Einfluss der sozialen und ethnischen Herkunft auf den Übergang zeigen sich vor und nach der Systemumstellung?
  • Nach welchen Kriterien treffen die Eltern die Schulwahl und in welchem Maß kann dem Elternwunsch für die weiterführende Schule (Einzelschule) entsprochen werden?
  • Welche Entwicklungsverläufe zeigen sich bei Schüler*innen, die ihre weiterführende Schullaufbahn an einem Gymnasium beginnen und sie nach der 7. Klasse an einer Integrierten Sekundarschule fortsetzen? 

Die Befunde der Stufe I der BERLIN-Studie lassen sich in zentralen Punkten zu den Ergebnissen früherer Studien zum Übergang (z.B. ELEMENT-Studie) in Beziehung setzen, so dass es möglich ist, den Übergangsprozess und dessen Konsequenzen im bisherigen und im neuen System vergleichend gegenüberzustellen.
Im Juni 2013 wurden die ersten Ergebnisse der BERLIN-Studie zur Bewertung der Schulstrukturreform und zum neuen Übergangsverfahren in die weiterführenden Schulen der Öffentlichkeit vorgestellt. Eine Zusammenfassung der zentralen Befunde finden Sie hier (pdf-Datei).

Stufe II: Bildungserträge am Ende der Sekundarstufe I und Übergang in gymnasiale Oberstufe und berufliche Ausbildung

In der Studienstufe II der BERLIN-Studie werden die Bildungserträge der 15-Jährigen bzw. Schüler*innen der 9. Jahrgangsstufe sowie deren weitere Entwicklung in der gymnasialen Oberstufe bzw. in der beruflichen Ausbildung untersucht. Dazu wird eine Schülerkohorte, die noch das bisherige Schulsystem durchläuft (Kontrollkohorte, Modul 3), einer weiteren Schülerkohorte gegenübergestellt, die bereits die neu gestaltete Sekundarstufe besucht (Reformkohorte, Modul 2).

Die Untersuchung der Kontrollkohorte (Modul 3) begann zum Ende des Schuljahres 2010/11. Aus 130 zufällig gezogenen Berliner weiterführenden Schulen wurden 4500 Neuntklässler*innen bzw. 15-Jährige getestet und befragt. Eine weitere Testung und Befragung erfolgte am Ende der 10. Jahrgangsstufe. Vier Monate nach Ende der 10. Jahrgangsstufe wurden alle Jugendlichen, die eine nicht-gymnasiale Schulform besucht haben, auf postalischem Weg zu ihrer Schul- und Ausbildungssituation befragt. Eine weitere Befragung erfolgt in den Schulen im Jahr des Abiturs (2014 in der Jahrgangsstufe 12 an den Gymnasien bzw. 2015 in der Jahrgangsstufe 13 an den Integrierten Sekundarschulen). Jugendliche, die die Schule zu diesen Zeitpunkten bereits verlassen haben, werden postalisch befragt. Im Rahmen der Modul-3-Untersuchung wurden zudem die Schulleitungen der weiterführenden Schulen befragt.
Die Untersuchung der Reformkohorte (Modul 2) erfolgt mit identischen Instrumenten und im gleichen Erhebungsrhythmus wie der Kontrollkohorte, beginnend zum Schuljahresende 2013/14. Die Erhebungen werden im Jahr 2018 abgeschlossen sein (vgl. Abb. 3).


Abbildung 3: Übersicht der Erhebungen in Stufe II der BERLIN-Studie

Die zentralen Forschungsfragen für Stufe II der BERLIN-Studie sind:

  • Welche Veränderungen ergeben sich infolge der Systemumstellung für das mittlere Leistungsniveau und die Leistungsstreuung von Neuntklässler*innen bzw. 15-Jährigen?
  • In welchem Maß gelingt es, die Gruppe der Jugendlichen, die in den Basiskompetenzen Leistungen auf oder unter der Kompetenzstufe I erbringen, zu reduzieren?
  • Ist ein Rückgang der Kopplung von Herkunftsmerkmalen und schulischem Leistungsniveau feststellbar?
  • Kommt es zu einem Rückgang der Schulabbrecherquoten und zu einer Erhöhung des Anteils der Schüler*innen mit mittlerem Schulabschluss und Hochschulzugangsberechtigung?
  • Lässt sich ein Rückgang sozialer Disparitäten beim Übergang in die gymnasiale Oberstufe feststellen?
  • Welche Veränderungen ergeben sich für die Abschlusserwartungen zum Ende der Sekundarstufe II, die weiteren Berufsperspektiven sowie die Berufs- oder Studienwahlen von Schüler*innen, die einen zur Hochschulreife führenden Bildungsgang besuchen?
  • Wie erfolgreich verläuft der Übergang in die Berufsausbildung und welche sozialen und ethnischen Disparitäten treten dabei auf?


Das Design der BERLIN-Studie ermöglicht es, einen Teil der Schüler*innen, die in Stufe I seit Ende der 6. Jahrgangsstufe untersucht werden, in Stufe II zu integrieren. Sie bilden eine Teilgruppe der Reformkohorte, so dass für diese Schüler*innen ein Längsschnitt vom Ende der Grundschule bis zum Ende der gymnasialen Oberstufe bzw. bis in die berufliche Ausbildung vorliegen wird.

Die Ergebnisse der BERLIN-Studie zu den Bildungserträgen am Ende der Sekundarstufe I wurden im März 2017 der Öffentlichkeit vorgestellt. Eine Zusammenfassung der zentralen Befunde finden Sie hier (pdf-Datei). Auch das ausführliche wissenschaftliche Fazit aus dem Ergebnisband steht online zur Verfügung.

Finanzierung

Die Drittmittelfinanzierung ist abgelaufen (10/2010 - 10/2018); das Projekt ist weiterhin in Auswertung.

Kooperationen

Die BERLIN-Studie ist ein gemeinsames Kooperationsprojekt des DIPF (Prof. Kai Maaz) mit dem Max-Planck-Institut für Bildungsforschung (MPIB Berlin, Prof. Dr. Jürgen Baumert) und dem Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik (IPN Kiel, Prof. Dr. Olaf Köller).

Publikationen

Projektleitung

Projektteam

Projektdaten

Status:
Laufendes Projekt
Schwerpunkte:
Abteilung: Struktur und Steuerung des Bildungswesens
Arbeitsbereich: Bildungsstrukturen und Reformen
Bildungsbereich: Schule
Laufzeit:
10/2010 – 06/2025
Finanzierung:
Drittmittelprojekt
Kontakt:

Befunde Stufe 1

Die Ergebnisse zum Übergang von der Grundschule in die neu strukturierte Sekundarstufe wurden im Juni 2013 veröffentlicht.

Befunde Stufe 2

Die Ergebnisse der BERLIN-Studie zu den Bildungserträgen am Ende der Sekundarstufe I wurden im März 2017 der Öffentlichkeit vorgestellt.